AstraZeneca: Gefährliche Nebenwirkung viel häufiger als angenommen

COVID-19-Impfung: AstraZeneca stufte akuten Mangel an Blutplättchen bereits Mitte April als "häufige Nebenwirkung" ein. Einem bis zehn von 100 Geimpften drohen demnach innere Blutungen. Das Paul-Ehrlich-Institut hängt das aber nicht an die große Glocke.
AstraZeneca: Gefährliche Nebenwirkung viel häufiger als angenommenQuelle: www.globallookpress.com © Alfonso Di Vincenzo/Keystone Press Agency

von Susan Bonath

Die COVID-19-Impfstoffe können Blutgerinnsel begünstigen. Das gilt inzwischen als erwiesen. Speziell der Konzern AstraZeneca sorgte für Schlagzeilen, nachdem jüngere Geimpfte an Hirnvenenthrombosen oder Hirnblutungen verstorben waren. Beides in Kombination habe man nur "sehr selten" festgestellt. Und COVID-19 sei viel gefährlicher, beschwichtigten die deutsche Impfstoff-Überwachungsbehörde namens Paul-Ehrlich-Institut (PEI) und die Leitmedien gleichermaßen. Doch mit einem brisanten Detail hält das PEI seit drei Wochen hinterm Berg: Eine sogenannte Thrombozytopenie tritt offenbar sehr viel häufiger auf als bisher bekannt. Ein solcher Mangel an Blutplättchen wird nicht immer bemerkt. Aber er kann im Ernstfall zu schweren inneren Blutungen, auch Hirnblutungen führen und gilt deshalb immer als Notfall.

PEI und Leitmedien schweigen

Das geht aus einem zweiten sogenannten "Rote-Hand-Brief" des schwedisch-britischen Pharmakonzerns AstraZeneca hervor. Dieser stammt bereits vom 13. April 2021. In den Leitmedien wurde darüber zumindest nicht aufsehenerregend berichtet. Lediglich auf dem Webblog tpk.at ist ein ausführlicherer Bericht zu finden.

Außerdem berichtete das Fachportal apotheke-adhoc.de über den Rote-Hand-Brief des britisch-schwedischen Impfstoffherstellers. Allerdings blieb der Umstand, dass Thrombozytopenien nunmehr als häufig gelten, darin unerwähnt. Das Paul-Ehrlich-Institut hat den Brief zwar ordnungsgemäß auf seiner Webseite veröffentlicht. Doch muss der Laie schon sehr akribisch suchen, um ihn dort zu finden.

Ein bis zehn Prozent der Geimpften könnten betroffen sein

Darin heißt es zwar, Thrombosen in Kombination mit Thrombozytopenie stufe der Ausschuss für Risikobewertung (PRAC) der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) weiterhin als "sehr seltene Nebenwirkung" durch eine AstraZeneca-Impfung ein. Allerdings räumt der Konzern wörtlich ein:

"Eine der Aktualisierungen betrifft Abschnitt 4.8 der Fachinformation. Thrombozytopenie wurde als unerwünschte Reaktion mit einer Häufigkeit von 'häufig' eingeführt, basierend auf Daten aus klinischen Studien."

Nebenwirkungen von Medikamenten werden auf Beipackzetteln nach der Häufigkeit des Auftretens klassifiziert. "Sehr selten" bedeutet demnach, dass weniger als einer von 10.000 Patienten davon betroffen ist.

Als "häufig" wird so eine unerwünschte Wirkung deklariert, wenn sie bei einem bis zehn von 100 Patienten auftritt. Das Serum Vaxzevria von AstraZeneca wurde bis zum 2. April (neuere Sicherheitsberichte hat das zuständige PEI noch nicht veröffentlicht) knapp drei Millionen Mal verabreicht. Wenn die Untersuchungen ernst zu nehmen sind, könnte 30.000- bis 300.000-mal bei den Geimpften ein Mangel an Blutplättchen aufgetreten sein – wohl meistens unbemerkt oder ohne, dass ein Arzt aufgesucht wurde.

AstraZeneca: Thrombozytopenie wohl eine Autoimmunreaktion

Die Autoren von AstraZeneca, Susanne Tubis und Klaus Hinterding, vermuten laut Brief, die gefährliche Gerinnungsstörung werde wohl durch Antikörper verursacht, die durch die Impfung gebildet werden. Diese sogenannten PF4-Antikörper bänden sich häufig an Blutplättchen und veränderten deren Struktur. Bei Geimpften, die eine Thrombozytopenie mit oder ohne Thrombose entwickelten, habe man besonders viele von diesen speziellen Antikörpern gefunden. Das stärke die These, so die Autoren.

Offiziell meldete das PEI bis zum 21. April insgesamt 75 Fälle von Hirnvenenthrombosen nach COVID-19-Impfungen, die einen kleinen Teil aller aufgetretenen Thrombosen darstellen. Zwölf Fälle davon seien nach der Gabe des Impfstoffs Comirnaty von Pfizer/BioNTech aufgetreten, 63-mal traf es mit dem AstraZeneca-Vakzin Geimpfte. Insgesamt waren 56 Frauen und 19 Männer betroffen – die meisten waren jünger als 60 Jahre.

Ausschließlich nach der Gabe von Vaxzevria (AstraZeneca) sei es in 34 Fällen gleichzeitig zu einer Hirnvenenthrombose und Thrombozytopenie gekommen, so das PEI. Zwölf Personen seien daran gestorben. Drei weitere überlebten demnach Blutgerinnsel im Gehirn nicht, die nach der Gabe des Pfizer/BioNTech-Vakzins aufgetreten waren.

Von einer relevanten Dunkelziffer weiterer Fälle ist aber auszugehen. Erstens wird nur ein geringer Teil von Nebenwirkungen überhaupt gemeldet. Zweitens wurden bisher besonders viele ältere und kranke Menschen geimpft. Sterbefälle oder schwere klinische Symptome können hier viel einfacher auf Vorerkrankungen und Alter geschoben werden. In Pflegeheimen etwa gab es jedenfalls zahlreiche der Autorin bekannte Todesfälle nach Impfungen, denen eine natürliche Ursache zugeschrieben worden war und die deshalb nicht weiter rechtsmedizinisch untersucht wurden.

Informationen nur für Ärzte vorgesehen

Die mutmaßliche Heimlichtuerei mit schweren Nebenwirkungen dieser mRNA- und Vektor-Impfstoffe scheint sich an dem jüngsten Beispiel von AstraZeneca erneut zu bestätigen. Warum informieren PEI und Presse nicht die breite Öffentlichkeit über das häufige Auftreten einer Impfreaktion, die insbesondere im Fall der Nichtbehandlung sogar tödliche Folgen haben kann?

PEI-Sprecherin Susanne Stöcker erklärte dazu, so ein "Rote-Hand-Brief" richte sich "explizit an Ärztinnen und Ärzte". Früher habe man diese deshalb ausschließlich an diese versandt. "Seit einigen Jahren veröffentlichen das PEI und das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte diese Dokumente zusätzlich auf ihren Internetseiten, wo sie für alle Interessierten zugänglich sind", fügte sie an.

Mit anderen Worten: Wer wissen will, ob die Impfung für ihn möglicherweise mehr Gefahren birgt als eine Coronavirus-Infektion, muss selbst die Internetseiten der Fachbehörden durchsuchen. Fakt ist aber auch: Die Impfärzte müssten darüber Bescheid wissen und die Impflinge entsprechend warnen.

Wo bleibt der Sicherheitsbericht?

Unverständlich bleibt zudem, warum das PEI seit Wochen keinen Sicherheitsbericht mehr veröffentlicht hat. Der jüngste am 3. Mai abrufbare Bericht umfasst den Zeitraum bis zum 2. April. Über einen Monat gab es also keine neuen Informationen von der zuständigen Behörde. Stöcker beschwichtigte: Die nächste Veröffentlichung sei für Anfang Mai geplant und komme wohl in dieser Woche heraus. Sie fügte wörtlich an:

"Vor dem Hintergrund der zunehmenden Zahl von Impfungen erreichen uns natürlich auch entsprechend mehr Verdachtsfallmeldungen, die erfasst und bewertet und für die gegebenenfalls nachrecherchiert werden muss (sic!). Zudem bitte ich Sie zu bedenken, dass in den letzten Wochen sehr viele Aktivitäten im Hinblick auf die Sicherheit der COVID-19-Impfstoffe erforderlich waren."

Bereits im letzten Sicherheitsbericht des PEI waren ursprünglich aufgeführte schwerwiegende Verdachtsfälle, darunter Gesichtslähmungen, Herzmuskelentzündungen, Schlag- und Krampfanfälle, nicht mehr explizit benannt worden. Als Grund erklärte die Sprecherin vor einigen Wochen, man könne nicht jede Einzelwirkung gesondert nennen.

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